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Unsere kleine Weltstadt

5. Februar 2007

Prof. Ernst Ulrich Scheffler in der FAZ vom 5. Februar 2007

Nach der Oberbürgermeisterwahl gewinnt die Altstadtdebatte an Kontur. Wie künftig „der Hühnermarkt im Herzen der Frankfurter Altstadt“ aussehen könnte, zeigt die abgebildete „Simulation CDU“. Ist das wirklich so gemeint, wie es gezeichnet ist? Wenn nicht: Warum werden dann solche Bilder an die Presse weitergegeben? Die Computersimulation zeigt leider genau das, was wir alle fürchten: Fassaden mit „historisch anmutenden“ Versatzstücken und Fachwerk auf Wärmedämmverbundsystem. Dahinter liegen freie Grundrisse mit und ohne Aufzug, über deren Nutzung, so heißt es, noch nicht entschieden sei.

Sieht so das Zentrum einer europäischen Großstadt aus, die sich gern mit London, Paris und Madrid in einem Atemzug nennt?

Unsere kleine Weltstadt ist auf dem besten Weg, sich unsterblich zu blamieren. Dieser Weg führt schnurstracks auf die Witzseite der Bauwelt. Das muss auch den politisch Verantwortlichen klar sein.

Ernst May hat es 1949 in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau als „unfasslich“ bezeichnet, über den Wiederaufbau der Altstadt überhaupt nachzudenken. Zugegeben, es war die Zeit der großen Worte. Hatte doch auch Rudolf Schwarz gefordert, die Paulskirche so wieder aufzubauen, dass kein unwahres Wort mehr darin gesprochen werden kann. Aber ist diese kompromisslose Aufrichtigkeit der Nachkriegsgeneration nicht auch ein Teil unserer Baugeschichte? Wenn wir dem heute etwas entgegensetzen wollen, dann muss es besser sein. Diese Maskerade ist es sicher nicht. Ist nicht mit der Schirn und vor allem mit dem gelungenen Haus am Dom der Beweis angetreten, dass das verträgliche Nebeneinander von Häusern in der Stadt weniger eine stilistische Frage als vielmehr eine Frage unbedingter Qualität ist?