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Zum Tod von Werner Nägele (1926 – 2017)

13. November 2017

Der Bund Deutscher Architekten BDA Hessen trauert um sein verstorbenes Mitglied Werner Nägele.

Werner Nägele.  9.Oktober 1926 – 8.September 2017


Nachruf von Hans-Ulrich von Mende

Der Familienname könnte einen Schwaben vermuten lassen. Weit gefehlt. Werner Nägele ist ein echter Frankfurter gewesen. Ein Musterschüler im wahrsten Sinne des Wortes, nicht nur weil sein Gymnasium so heißt, wo er das Abitur ablegte. Sein Jahrgang verschonte ihn nicht vor dem Kriegsdienst im Frühjahr 1945. Das Studium der Architektur an der Technischen Hochschule Darmstadt mit dem Diplomabschluss 1952 war eine sinnvolle Entscheidung. Es galt, das Land wieder aufzubauen.
Er blieb der Hochschule zunächst verbunden als wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Hochbaukonstruktion und Entwerfen des legendären Professors Theo Pabst. Hier lernte er die Studenten Dieter Hofmann und Ingo Tiedemann kennen. Man beteiligte sich bald an Wettbewerben, von denen drei dicht aufeinander folgend den ersten Preis und damit Aufträge brachten. Grund genug, 1965 das Büro NHT zu gründen.

Werner Nägele hatte seine Tätigkeit als Berufung empfunden. Würde er sonst nicht Mitglied der Vertreterversammlung der Architektenkammer Hessen bis 1988 gewesen sein? Und hätte er sonst nicht den Vorsitz des Bundes Deutscher Architekten in Hessen von 1978 bis 1980 übernommen? Oder sich im Landesdenkmalrat Hessen von 1975–1984 als Mitglied engagiert? So war es nur logisch, anschließend im Denkmalbeirat der Stadt Frankfurt weiter tätig zu sein. Sein Engagement über den eigenen Zeichentisch hinaus wurde mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1993 gewürdigt.

Was ihn aber besonders auszeichnete, war seine offene Art, mit Menschen seiner Umgebung umzugehen. Es spielte keine Rolle, ob es ein Bauherr war oder ein junger Abiturient, der ihm seinen Berufs- und damit Studienwunsch nannte. Seine hilfsbereite Art machte es einem leicht, Wünsche vorzutragen. Diese hatte er gefördert und beflügelt mit herzlicher Offenheit, einer Gabe, die ihm im eigenen Büro und im Kreis der Bauherren oder städtischer Ämter den Weg öffnete und sehr oft auch ebnete.

Nur selten gibt es Büroinhaber, die wie Werner Nägele und seine Partner rechtzeitig daran denken, den Erhalt, das Weiterführen des eigenen erfolgreichen Büros in jüngere Hände zu übertragen. Das war bei NHT 1990 so, als drei jüngere Partner aufgenommen wurden. Und für Werner Nägele war es kein Abschied mit Schmerzen, als er sich 1993 aus dem tagesaktuellen Leben eines Architekturbüros zurückzog. Es war ihm zu verdanken, dass seine Juniorpartner sein Vorbild so leben konnten, dass das Büro weiterhin erfolgreich agierte.

Steht dahinter ein Erfolgsgeheimnis? Wohl kaum. Und wenn, dann dieses: In einem Beruf wie dem des Architekten gibt es zu gerne und zu oft den Solisten, der alles kann und alles regelt. Werner Nägele suchte nicht diesen vermeintlichen Perfektionismus. Schon weil das Büro die unterschiedlichsten Bauaufgaben zu planen hatte, war es gut und von Werner Nägele gefördert worden, dass nicht die eine Handschrift die allein gültige war. Es war die Vielfalt der Gestaltung, es war die Freiheit, ständig Neues planen zu dürfen, das Werner Nägele ständig förderte. Und er nur dann eingriff, wenn das Prinzipielle einer guten Architektur in Frage zu stellen war. Der Griff aus der Schublade für Lösungen neuer Projekte war seine Sache nicht.

Die offene Art machte es ihm schließlich leicht, auch Arbeitsgemeinschaften mit anderen Büros einzugehen, wenn der Bauherrenwunsch dies erwartete. Das wurde als Herausforderung im besten Sinne empfunden. Und für das Büro war es teilweise auch Gelegenheit, den eigenen Horizont zu erweitern.
Eine Gabe, die ihn besonders prägte und immer dann für sein Büro erlebbar wurde, wenn eine neue Aufgabe anstand. Das war oft verbunden mit Reisen ins Ausland. Und hier waren allein seine Reiseberichte im Kreis seiner Partner und Mitarbeiter wie verspätete Vorlesungen in Sachen Architektur, allerdings durchwebt mit seinen humorigen Details.

Werner Nägele, seit über zwei Jahrzehnten auch mehrfacher Großvater, muss von seinen Enkeln sehr geliebt worden sein, sieht und hört man hin, wenn diese von ihrem Opa berichteten. Seine beiden Söhne, aufgehoben in bester beruflicher Position, nähern sich selbst langsam dem Leben eines Pensionärs. Mit ihnen trug Werner Nägele seine Frau Christa Anfang Juni 2017 zu Grabe. Wenige Monate später, am 8. September 2017 war es nun an ihm, sich für immer von uns zu verabschieden. Sein Sohn Peter berichtete, er sei gelöst und zufrieden eingeschlafen. So beschreiben die begleitenden Worte seiner Todesanzeige den wahren Kern seiner Existenz: „Ich höre auf zu leben, aber ich habe gelebt“

Hans-Ulrich von Mende