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Zum Tod von Helga Müller-Schliepe (1938 – 2020)

23. Juni 2020

Der Bund Deutscher Architekten BDA Hessen trauert um Helga Müller-Schliepe.

Bild: Stiftung HMS-Talita kumi
Bild: Stiftung HMS-Talita kumi

Das Wort „Nachruf“ wäre für Helga Müller-Schliepe zu laut. Leise, aber klare Töne lagen ihr lieber. Geboren am 11. April 1938 in Berlin-Charlottenburg erlebte sie den Kriegsanfang. Nach Holland ging sie mit den Eltern vor Kriegsende, um den schlimmsten Bombenmonaten zu entgehen. Zurück in Friedenszeiten machte sie in Berlin den Schulabschluss und studierte in Aachen Architektur. Wer Ihre Handschrift kannte, ahnte, dass sie eine sehr gute Zeichnerin war, nicht die schlechteste Voraussetzung für den Beruf. Mitte der 60er Jahre kam sie nach Frankfurt als junge Architektin und begann die praktische Arbeit in der Stadtverwaltung im Stadtplanungsamt, die sie bis zu Ihrer Pension Ende der 90er behielt, viele letzte Jahre davon als Abteilungsleiterin. Weil sie Planungsbereiche der Innenstadt zu verantworten hatte – speziell das Westend und Bahnhofsviertel – prägte sie entscheidend das Bild der Stadt, soweit rechtskräftige Bebauungspläne Vorgaben machten, die sie zum Teil auch selbst erarbeitete. Viele Architekten lernten sie so als eine Verfechterin des gesetzestreuen Handelns kennen, was zuweilen nicht immer bei der Stadt zu erwarten war. Sichtbares Zeichen ihres Einsatzes für ein klares Stadtbild war die Kaiserstraße, befreit von ausufernder Lichtreklame oder die Mainzer Landstraße zwischen Opernplatz und Platz der Republik. Klassisch schlichte Straßenbeleuchtung samt durchgehendem Baumbestand war geradezu eine Adelung der alten Situation.

Ihre gestalterische Durchsetzungskraft fiel auch dem BDA Frankfurt auf, der sie bald zum außerordentlichen Mitglied berief. Ihre zahlreichen Besuche der BDA-Aktivitäten waren begleitet mit klaren Sachbeiträgen und teilweise notwendigen Richtigstellungen, wenn Unkenntnis die Diskussion zu verschieben drohte.

Bei aller Klarheit im Beruf hatte sie die musische Seite nicht vergessen. Für sehr lange Zeit spielte sie das Waldhorn, basierend auf vielen Jahren Unterricht. Ihre soziale Einstellung, für die Gesellschaft sozial verpflichtend zu handeln, wurde lange vor ihrer Pension wahrgemacht. Sie gründete die Stiftung „HMS-Talita Kumi“, die sich zur Aufgabe machte, jungen indonesischen Frauen auf einer der vielen Inseln des Landes sowohl eine schulische als auch eine berufliche Ausbildung zu ermöglichen.

Im Sommer 2019 gab sie ihre Wohnung auf und zog in ein Seniorenheim an der Eschersheimer Landstraße am westlichen Rand des Holzhausenviertels, wo sie sich wegen ihrer fortschreitenden Krankheit sehr umsorgt fühlte. Nur zufällig und auf mehrmalige Nachfrage wurde die Nachricht ihres Todes im Januar 2020 Wochen später bekannt, so als wollte sie es sich so gewünscht haben. Eben dies: auch den letzten Weg nicht zu laut zu gehen.

Hans-Ulrich von Mende