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Pressemeldung des BDA Saar zum Abbau der Wartehäuschen an der Saarbahn-Haltestelle Johanneskirche

18. Mai 2022

Eine kurzsichtige Radikallösung

Am 07.05.2022 verschwanden über Nacht die beiden Wartehäuschen der Saarbahn-Haltestelle Johanneskirche. Tags zuvor hat die Stadt Saarbrücken zusammen mit der Saarbahn den Rückbau der Häuschen und den Ersatz in Form von „modernen“ Fahrgastunterständen der Firma Wall angekündigt, die bereits mehrfach in der Stadt aufgestellt sind. Waren die beiden verschwundenen, 25 Jahre alten Unterstände etwa unmodern? Wenn man genauer hinschaut, wohl kaum.

Auch wenn man an der Integration der Saarbahntrasse in den Stadtraum viel Kritik äußern kann, so muss man den damaligen Verantwortlichen heute anerkennen, dass sie mit den individuell gestalteten Sonderhaltestellen an städtebaulich wichtigen Orten Marksteine gesetzt und damit für eine Aufwertung des öffentlichen Raums beigetragen haben.

Zur Inbetriebnahme des ersten Streckenabschnitts der Saarbahn 1997 wurde die von den Architekten Wandel-Hoefer-Lorch gestaltete Haltestelle Johanneskirche fertiggestellt. Am Hauptbahnhof entstand die zweite Sonderhaltestelle, deren Gestaltung von dem Architekten Miroslav Volf stammt. Später kamen noch die Haltestellen Cottbusser Platz (Krüger Architekten) und Landwehrplatz (Gestaltung ebenfalls Wandel-Hoefer-Lorch Architekten) hinzu.

Carsten Diez
Carsten Diez
Wartehäuschen Haltestelle Johanneskirche bis 06.05.2022

Besonders herausragend an den beiden Wartehäuschen an der Johanneskirche war die Symbiose von Form und Raum. Zusammen mit dem Tragwerksplaner Dietrich Heer entwickelten die Architekten eine raffinierte und minimalistische Konstruktion aus gekrümmten, sich selbst tragenden Wand- und Deckenscheiben aus dicken Stahlplatten, veredelt mit den ausgestanzten Buchstaben „JOHANNESKIRCHE“. Mit ihrer robusten Materialität und leichten Drehung zueinander sorgten die Wartehäuschen für einen respektvollen Kontrast zur filigranen Sandsteinfassade der historischen Johanneskirche. Kurz: sie waren ein wohlgesetztes Stadtmobiliar im öffentlichen Raum, erlebbar wie Kunstskulpturen, aber mit praktischem Nutzen, zudem werbefrei und von bestechender Einfachheit.

Aus der, nur einen Tag vor dem Abbruch veröffentlichten Pressemitteilung des Rathauses ist herauszulesen, dass die beiden Wartehäuschen nach Ansicht der Verwaltung eine Mitschuld an den unsicheren Zuständen tragen. Die Begründung impliziert, dass die Aufenthaltsqualität der Häuschen soziale Randgruppen besonders angezogen hätte. Die Stadt verschweigt aber, dass sie durch fehlende Pflege und mangelnden Unterhalt selbst zu dem problematischen Zustand beigetragen hat. Mit den jetzt vorgesehenen standardisierten Fahrgastunterständen glaubt sie, die sozialen Probleme an der Johanneskirche besser lösen zu können. Gestaltungsansprüche werden von Seiten der Stadt erst gar nicht formuliert und eine öffentliche Diskussion darüber durch ihre schnelle Entscheidung verunmöglicht.

Noch einfacher macht es sich die Stadt, in dem sie die Errichtung, Reinigung und den Unterhalt der neuen „modernen“ Häuschen der Firma Wall – werbefinanziert – überträgt. Ob der Verlust an baukultureller Einzigartigkeit durch eine weitere Kommerzialisierung und Austauschbarkeit des Stadtbildes ausgeglichen werden kann, darf in diesem Fall bezweifelt werden.

Stellt sich zum Schluss die Frage: was macht die Stadt nun mit den beiden Häuschen? Wenigstens für die Umwelt gibt es Trost: die sortenreine Stahlkonstruktion erlaubt nämlich die Möglichkeit einer vollständigen Materialwiederverwertung. Dies wird mit den neuen Häuschen aus Aluminium, Glas und Kunststoff mit Sicherheit schwieriger werden. Der unwiederbringliche Verlust an Baukultur bleibt aber.

Carsten Diez, stellvertretender Landesvorsitzender, für den Vorstand des BDA Saarland