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BDA Studienpreis des BDA Darmstadt entschieden – Kirchenräume „weiter“ nutzen

14. März 2023

Der BDA Darmstadt vergibt zum vierten Mal den hessenweit ausgelobten Studienpreis des BDA Hessen, der als Wettbewerb ausgeschrieben wurde. Der Wettbewerb richtete sich an die Studierenden beider Darmstädter Architekturfakultäten, der Technischen Universität Darmstadt sowie der Hochschule Darmstadt.

Im Rahmen eines Stegreifentwurfs war für das Kirchengebäude der Friedensgemeinde in Darmstadt ein Konzept zu erarbeiten, das in den Räumlichkeiten eine multifunktionale Nutzung etabliert. Ziel einer solchen Nutzung sollte es sein, Räume der Glaubensgemeinschaft nun in Räume der Quartiersgemeinschaft zu transformieren, wobei der Gemeinschaftsbegriff offen und weitläufig zu sehen war.

Die Jurysitzung fand am 7. März 2023 statt. Die Jury überzeugte die gute Qualität und das hohe Niveau der Ausarbeitung der 17 eingereichten Projekte. Nach eingehender Diskussion und Beratung entschieden die Jurymitglieder fünf Preise zu vergeben:

Hochschule Darmstadt
Raimund Luck – Licht und Luft (Preisgeld: 600 Euro)
Marlene Grün und Friederick Kubin – Raum im Wandel (200 Euro)
Balthasar Haag (200 Euro)

Technische Universität Darmstadt
Daniel Buck – Kokon (500 Euro)
Sebastian Schäfer – Haus Gottes (500 Euro)

Der BDA Darmstadt bedankt sich herzlich bei allen Teilnehmenden, ihren Lehrenden sowie bei Prof. Anke Mensing und bei Prof. Felix Waechter für die Organisation und gratuliert den Preisträgerinnen und Preisträger des Studienpreises 2022.

Die offizielle Preisübergabe findet am 16. März 2023 um 18 Uhr im INTEF am Friedensplatz 11 in Darmstadt, statt. Im Anschluss werden die prämierten Arbeiten an gleicher Stelle bis zum 31. März 2023 in einer Ausstellung zu sehen sein.

Die Jury gehörten an:
Hanna-Lena Neuser, Akademiedirektorin der evangelischen Akademie, Frankfurt a. M.
Sven Sabary, Dipl.-Ing. Dipl.-Theol., Ev. Dekanat Darmstadt
Katharina Rauh, Stadtplanerin SRL BDA, prosa, Darmstadt
Christian Holl, Landessekretär des BDA Hessen
Karim Scharabi, Netzwerk Architekten, Darmstadt

Im Namen des Vorstands des BDA Darmstadt
Christian Nasedy
Vorsitzender

Hintergrund
Der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA Hessen e.V. lobt jährlich den BDA Studienpreis aus. Dieser Preis ist ein Förderpreis für den Architekt*innennachwuchs und bietet jungen Studierenden die Möglichkeit, sich zu profilieren und zu positionieren. Der regional in den einzelnen Gruppen des BDA Hessen organisierte Studienpreis richtet sich an die jeweiligen Architekturfakultäten in Frankfurt, Wiesbaden, Darmstadt, Kassel und Mittelhessen. Mit der Auslobung dieses Studienpreises verweist der BDA auf die Verantwortung der Architekt*innenausbildung als Grundlage für die künftige Qualität der gebauten Umwelt. Die kulturelle Bedeutung des Planen und Bauens soll bewusst gemacht werden.

Ausgezeichnete Projekte

Raimund Luck – Licht und Luft
Der Entwurf sieht vor, die Vorplatzsituation zur Hügelstraße mit begrünten Flächen und Sitzmöbeln als urbanen Raum auszubilden. Eine ganztägige Cafenutzung soll das Gebäude beleben und sowohl Bewohnern des Viertels als auch Gästen von außerhalb eine Möglichkeit zum Verweilen geben.
Der Innenraum wird mit einem Holz- Einbaumöbel neu zoniert und soll über die Cafenutzung hinaus für Veranstaltungen genutzt werden können. Der flexible Raum richtet sich zum ehemaligen Chor aus, welcher als Bühne für Konzerte und Lesungen genutzt werden kann. Ebenso sind z.B. Floh- und Wochenmärkte als Nutzung angedacht. Die zweite Ebene des Möbels kann als Lern- und Studierort genutzt werden.
Gezielte architektonische Eingriffe in den Bestand öffnen den Raum und erzeugen eine helle, einladende Innenraumsituation.
Der Raum im Erdgeschoss wird als „Allraum“ für Veranstaltungen und Bühnenaufführungen definiert. Zoniert durch das eingestellte Möbel, verbunden mit der vorhandenen Struktur des Raumes, ist der Blick zentral auf den ehemaligen Chor ausgerichtet. In der zweiten Ebene befindet sich eine Lese- und Studierlandschaft. Die Nischen des Bestandes sind mit Bücherregalen und Sitzmöbeln ausgestattet und bieten eine intimere  Atmosphäre für den Besucher.

Juryurteil
Überzeugend sind die großflächigen Öffnungen zur Hügelstraße hin, sie ermöglichen eine deutliche Verzahnung mit der Umgebung. Die Aufnahme der Proportionen der bestehenden Fenster im Altarraum machen diesen starken Eingriff selbstverständlich. Die vorgelagerte Terrasse, die auch vom Café genutzt wird, dient als Puffer zwischen Gebäude und Fußgängerweg und Vorplatz. Das eingestellte raumbildende Holz-Möbel zoniert den Raum neu und bietet geschickt Platz für Bar, Küche und zusätzliche WCs. Durch das Aufnehmen der Flucht des Altarraums wird der ehemalige Kirchensaal verändert und bleibt doch erlebbar.
Die Öffnung des Foyers nach oben ermöglicht spannende neue Ein- und Ausblicke.

 

Marlene Grün und Friederick Kubin – Raum im Wandel
Das räumliche Konzept für die Friedenskirche am Marienplatz hat den Anspruch, den facettenreichen Nutzungen für das Quartier gerecht zu werden und manifestiert gleichzeitig den gesellschaftlichen und strukturellen Wandel der Umnutzung. In etlichen Nutzungsszenarien wird das Potenzial des Raumes erforscht, Raum und Zwischenrau stehen in theatralem Wechselspiel zueinander. Räume mit fest determinierter Nutzung bilden sich in den vorhandenen, geschlossenen Gebäudeteilen (ehemalige Sakristei, Nebenanbau, Empore) ab. Diese klar verorteten Ankerpunkte halten den Alltag lebendig. Der einst longitudinale Raum, der als Saalkirche entworfen worden ist und insbesondere aufgrund der seitlichen Arkaden eine Richtung aufweist, dient als soziale Spielfläche für die Anwohnerschaft, dessen räumliche Ausrichtung und Gesamtgröße sich je nach Nutzungsintention adaptieren lässt.

Juryurteil
„Raum im Wandel“ greift wesentliche Elemente der Aufgabenstellung auf und findet einen Zugang zu dem Gebäude, der überzeugt. Hervorzuheben sind vor allem drei Elemente, die die Jury besonders begeistert hat. Der Entwurf sieht vor, den Außenbereich mit dem Angebot des Innenraums zu verbinden und damit einladend und ansprechend in das Quartier zu wirken. Der Innenraum verliert durch die quadratischen, mobilen Elemente die vielleicht auch einschüchternd Wirkung. Und schließlich ist die Anordnung der Küche im Altarraum auch aus theologischer Sicht stark in der Wirkung. Hier wird Gemeinschaft erlebt. Hier kommen Geist und Körper zusammen. Hier passiert etwas, das für ein neu entstehendes Viertel ganz elementar ist.
Die Lebendigkeit, die der Entwurf ausstrahlt, die dezente, moderne, uneitle Gestaltung und die gewählten Farben und Materialien ermöglichten es der Jury, sich hier einen gelingenden Ort für viele Menschen vorzustellen.

 

Balthasar Haag
Die Friedenskirche in Darmstadt wurde 1963 nach dem Entwurf von Prof. Karl Gruber gebaut wurde, wird jedoch seit 2013 nicht mehr von der Gemeinde genutzt. Es soll ein Treffpunkt und ein Ort für Veranstaltungen für das neue Wohnquartier in der Umgebung werden. Der ursprünglich genutzte Eingang soll beibehalten werden, der Eingangsbereich allerdings offener und freundlicher gestaltet werden. Es soll einen barrierefreien Eingang geben. Der ehemals ungenutzte Arkadengang auf der Südseite soll private Bereiche bilden und somit die Kirchenfenster im Erdgeschoss besser zur Geltung kommen zu lassen.
Das angebaute Café befindet sich auf der Nordwestseite und bildet einen neuen Innenhof, welcher durch seine Privatheit eine angenehme Atmosphäre hat. Das Café ragt in den ehemaligen Kirchenraum und ist über faltbare Glaswände getrennt. Das Café kann je nach Veranstaltung geöffnet werden und somit den neuen Saal bewirten.

Juryurteil
Der Entwurf erweitert das Kirchengebäude im Nordwesten um einen Café-Bereich. Diese Positionierung kann überraschen. Ein Café mit Außenbereich wäre auch an der Südfassade der Kirche denkbar. Hier wird der bestehende Zugang barrierefrei ausgebaut. Durch den neuen Gebäuderiegel an der Hindenburgstraße entsteht ein Innenhof, der Lärm- und Sonnenschutz bietet. So wird auch die geforderte gleichzeitige Nutzung von Café und multifunktionalem Kirchraum ermöglicht, in dem problemlos Konzerte, Vorträge, Aufführungen oder auch Gottesdienste stattfinden können. Die Empore wird vergrößert und mit der Orgelempore verbunden. So entsteht ein Raum, der separat oder gemeinsam mit dem Erdgeschossbereich genutzt werden kann, z. B. auch als Ort für Kunstobjekte der Kirche. Ateliers im Dachgeschoss komplettieren die Erweiterung.

 

Daniel Buck – Kokon
Im Rahmen der Umnutzung der ehemaligen Kirche der Friedensgemeinschaft Darmstadt entsteht ein zentraler Treffpunkt für Anwohner, Arbeitende und Studierende.
Im Inneren des Saals wird ein Mehrzweckraum durch deckenhohe Schiebe- und Drehtüren sowie transluzenten Vorhängen definiert. Dieser kann nach Bedarf in einzelne Richtungen geöffnet werden, sodass Empore und ehemaliger Altar ebenfalls in Verbindung mit dem Raum genutzt werden können. Der Zwischenraum zwischen den neuen und den alten Wänden sowie der Dachstuhl dienen als thermische und akustische Pufferzone. Dadurch wird zum einen der Energiebedarf deutlich gesenkt. Zum anderen kann der Raum für besonders laute Veranstaltungen genutzt werden, aber auch für jene, die möglichst viel Ruhe benötigen.
Die im Sinne der Kirchenarchitektur gestalteten Bänke werden beweglich gemacht, sodass sie auf dem Vorplatz sowie im Innenraum als Sitzmöbel genutzt werden können. Der ehemalige Eingangsbereich wird zur Außentheke, die auch die neue Quartiersterrasse bedient.

Juryurteil
Ein simpler räumlicher Eingriff – ein raumhoher Vorhangschleier als Raum – genügt, um die Kirche als Plafond und Umgebung unterschiedlichster Veranstaltungen nutzbar zu machen. Mit minimalistischen Mitteln schafft der Kokon das dialogische Angebot von „Saal und Foyer“, „Zusammenkunft und Pause“, „Vortrag und Ausstellung“ usf.
Ein Cafébereich wird im Eingangsbereich unter und auf der Empore eingerichtet und ermöglicht an der Schnittstelle zum öffentlichen Raum seine sowohl eigenständige, als auch den Betrieb des Kirchenraums ergänzende bzw. aufschließende Nutzung.

 

Sebastian Schäfer – Haus Gottes
Die Friedenskirche an der Hügelstraße soll zu einem Ort für sozial bedürftige Menschen werden. Dazu wird innerhalb des ehemaligen Kirchensaals eine Zwischendecke gezogen, die die Suppenküche im Erdgeschoss von dem „Tafelsaal“  im Obergeschoss räumlich trennt. Dabei kann der Tafelsaal auch für andere große temporäre Veranstaltungen genutzt werden.
Das bewusste nach „oben“ schreiten soll den Bedürftigen einen Raum des Aufmunterns schaffen. Der ehemalige Glockenturm erhält eine direkte Verbindung zum Tafelsaal und soll dem Gast durch seine öffentliche Begehbarkeit im selben Gedanken einen Ausblick verschaffen. Neben dem Kirchensaal sollen Werkstatthof und Workshop-Räume den Gast weitere Perspektiven ermöglichen und zum gemeinsamen Schaffen animieren.
Südlich öffnet sich die Friedenskirche ebenfalls. Direkt an der Hügelstraße befindet sich der Außenbereich der Suppenküche, der ebenfalls auch als Cafe genutzt werden kann.
Im nördlichen Gebäude soll ein Studierendenwohnheim entstehen, das einen ehrenamtlichen und gemeinschaftlichen Selbstversorgergarten pflegt, dessen Überschüsse ebenfalls an die Tafel gehen.

Juryurteil
Die Arbeit überzeugt durch zwei unmissverständliche Aussagen. Inhaltlich und funktional wird die Kirche als Ort sozialer Verantwortung positioniert, mit Suppenküche und Tafel soll sich der Raum nun an Menschen wenden, die von Armut betroffen sind. Zudem wird die Möglichkeit der Begegnung geschaffen. Zum anderen wird mit der räumlichen Intervention einer neuen Decke über fast den gesamten Kirchenraum der Raum neu strukturiert. Aus dem Bestand ergeben sich plausibel die wenigen Stellen, an die gesamte Raumhöhe erlebbar bleibt: In den Seitennischen und am Altarraum.

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