Foto: Sebastian Schels

Preisträger max40 – Junge Architektinnen und Architekten 2021

Benjamin Eder – Sanierung eines Bergbauernhofes

Foto: Sebastian Schels

Benjamin Eder – Sanierung eines Bergbauernhofes

Projekt
Sanierung eines Bergbauernhofes
Architekt
Benjamin Eder, München


Der Bergbauernhof befindet sich einsam und abgelegen am Juffinger Jöchl mit einer wunderschönen Aussicht aufs Brixental. Die
Sanierung vollzieht eine nachhaltige Umwandlung des Hofes mit denkmalpflegerischer Vorsicht, um das Haus für die nächsten Jahrhunderte vorzubereiten. Die Substanz vieler Umbauten wird analysiert, geordnet, rückgebaut oder herausgearbeitet. Der Anspruch, das Alte zu bewahren und wo nötig, mit Neuem zu stärken, führt zu einer Reise ins Innerste des Gebäudes und seiner Geschichte. Die dort vorgefundene Tradition des „Weiterbauens“ wird aufgegriffen und neu interpretiert. Es entsteht ein Haus mit vielen zeitgeschichtlichen Ebenen.

Die Lage auf 1.100 Metern Höhe und erschwerte Bedingungen beschränken die Materialwahl überwiegend auf Holz und Stahl. Der Stahl wird einerseits kontrastierend zum Bestand, andererseits als Vermittler zwischen unterschiedlichen Umbauten eingesetzt: Er zeigt immer die neuen Eingriffe ins Haus.

Die nachhaltige Energieversorgung mit Tiefenbohrungen, Wärmepumpe und das hierdurch bedingte Niedertemperatur-Heizsystem ist Hauptaufgabe des Umbaus. Die ursprünglichen Wände und Böden freizulegen und ohne Innendämmung zu arbeiten, spielte hierbei eine große Rolle. So werden Wände und Boden aufgearbeitet und wo nötig ergänzt. Dies geschieht auf sehr handwerkliche Weise, ohne Scham davor, das Flickwerk zu zeigen. Es ist letztlich nur eine weitere Ebene, die das Haus gewinnt.

Trotz heiztechnisch bedingter, großer Eingriffe wird ein Bild gesucht, mit dem Ursprünglichkeit in das Haus zurückkehren kann.
Erstaunlicherweise lässt die Struktur des Hauses dies an sehr vielen Stellen unkompliziert zu, alte Handwerkstechniken werden
dabei wiederentdeckt. So werden Böden oder Decken teilweise in vorhandene Nuten wie vor 300 Jahren wieder oder neu eingebaut und Türen oder Türstöcke in traditioneller Art ergänzt. Die Bäder bringen eine notwendige zeitgenössische Schicht ins
Haus, sie entsprechen einem heutigen Standard. Durch einen über zwei Ebenen freigestellten Versorgungsschacht wird ein minimalinvasiver Umgang mit dem Bestand erreicht. Nagelfluh sorgt als hochwertiges, regionales Material für eine Qualität von Dauer und erscheint dem Bestand angemessen.

Größtes sichtbares Novum im äußeren Erscheinungsbild bieten die neuen Fenster. Die Gegenüberstellung von neu interpretierten, traditionellen Kastenfenstern und zeitgenössischen Fensterelementen bereichert das Haus um eine weitere Zutat in seiner langen Baugeschichte.

Benjamin Eder
Isartalstrasse 14
80469 München
www.b-eder.de
E-Mail

Preisträger

max40 – Junge Architektinnen und Architekten 2021 – Preise

Vor gut 300 Jahren schon wurde er gebaut, der Bergbauernhof
in Kirchbichl (Bezirk Kufstein, Tirol). Neben ihm sieht so manch
anderes, jüngeres Gebäude ganz schön alt aus. Denn dem Münchner
Architekten Benjamin Eder, der sich unter anderem für das
baukulturelle Erbe in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz
einsetzt, gelang es, die Identität des Gebäudes zu erhalten – und
gleichzeitig modernen Wohnkomfort hineinzubringen. Den ursprünglichen
Charakter des Hofes hat er beim Weiterbauen bewahrt. Mit
viel Fingerspitzengefühl setzte der Architekt die Neunutzung des
angrenzenden alten Stallgebäudes um. Die historischen Schichten
interpretierte er zeitgemäß und schrieb sie weiter – mit neuen
Materialien, mit Kontrasten und mit mehr Tageslicht im Inneren.
Behutsam ging er mit der vorhandenen Substanz um und baute
Maßnahmen aus den 1970er Jahren wieder zurück. Hier fand keine
folkloristische Restaurierung statt: Fehlstellen bleiben bewusst als
Flickwerk sichtbar. Alt und neu fließen im Ganzen ineinander. So
nimmt jetzt das moderne, große Fenster im Wohnbereich – die
sichtbarste, zeitgenössische Zutat – Tradition und Geschichte auf,
entwickelt gleichzeitig aber die Form alter Kastenfenster weiter. Im
Innern lassen Elemente aus Stahl und Glas neue Raumeinheiten
entstehen, die sich harmonisch in die alte Hülle des Gebäudes
einfügen. Einen schönen Kontrast bildet das Bad. Dort geht es
kompromisslos modern zu, aber nicht überzogen. Das Ergebnis:
Ein beispielhafter Beitrag für ein Bauernhaus, das Vergangenheit
transformiert und Neues wagt.

Für die Jury
Ute Strimmer